Innovative Medizintechnik für die Handtherapie

Anyhand

Im Oktober 2020 fand eine Test­stel­lung der AnyHand in unserer Praxis ergo­jung statt. Im Inter­view geht es um die Wich­tig­keit der Pati­en­ten­bil­dung und die Einsatz­mög­lich­keit der AnyHand.

Der Patient muss zum Experten für seine Hand werden

Beate Jung

Im Oktober fand eine Test­stel­lung der AnyHand in der Praxis von Hand­the­ra­peutin Beate Jung in München statt. In unserem Inter­view geht sie ein auf die Wich­tig­keit der Pati­en­ten­bil­dung und die Einsatz­mög­lich­keiten der AnyHand.

Als erstes eine Frage zu deiner Berufs­wahl: Warum bist du Handtherapeutin?

Als ich 1992 mein Examen zur Ergo­the­ra­peutin ablegte, war die Hand­the­rapie in Deutsch­land gerade im Aufbau. In den USA war die Therapie der Hand bereits seit 1977 eine eigene Diszi­plin inner­halb der Ergo- und Physio­the­rapie, daran habe ich mich in den ersten Jahren orien­tiert. Hände fand ich schon immer span­nend, weil sie hoch­spe­zia­li­siert und unglaub­lich viel­seitig einsetzbar sind. Wir alle brau­chen unsere Hände, um unseren Alltag meis­tern zu können. Die Band­breite an Pati­en­tInnen ist enorm, es sind alle Alters­gruppen vertreten mit verschie­densten Diagnosen; Erkran­kungen wie auch Verlet­zungen. Die Berufe reichen vom Bauar­beiter über die Pianistin bis zum Chir­urgen, aber auch Sport­ver­let­zungen und kind­liche Hand­funk­ti­ons­stö­rungen spielen eine große Rolle. Zur weiteren Spezia­li­sie­rung legte ich 2012 das Examen zur zerti­fi­zierten Hand­the­ra­peutin DAHTH ab.

Wie empfin­dest du die Zusam­men­ar­beit mit den PatientInnen?

Ich lege größten Wert auf die inten­sive und indi­vi­du­elle Zusam­men­ar­beit mit den Pati­en­tInnen. Je besser die Aufklä­rung, je mehr ich als Hand­the­ra­peutin die Pati­enten einbinde und ihnen erläu­tere, welche Struk­turen betroffen sind und welche Maßnahmen wir ergreifen können, desto mehr moti­viere ich die Menschen, weil sie merken: Sie können selbst aktiv zur Verbes­se­rung beitragen. Ich finde es sehr wichtig, dass die Pati­enten wissen, welche genaue Diagnose und welches Problem an ihrer Hand besteht. Ich bin der Meinung: „Der Patient muss zum Experten für seine Hand werden“. Je mehr er weiß, welche Funk­ti­ons­stö­rung besteht und mit welchen hand­the­ra­peu­ti­schen Tech­niken diese verbes­sert werden kann, desto adäquater kann der Betrof­fene mitar­beiten. Deshalb finde ich es auch wichtig, nicht zu vermit­teln: „Ich werde eine halbe Stunde durch­be­wegt und dann geh‘ ich wieder nach Hause.“

Wie ist der Kontakt mit LIME entstanden?

Pascal ist auf den Thera­pie­kon­gressen der DAHTH (Deut­sche Arbeits­ge­mein­schaft für Hand­the­rapie e.V.) mit mir in Kontakt getreten und war mehr­fach bei mir in der Praxis, um gemeinsam zu über­legen, welche Anfor­de­rungen ein solches Gerät hinsicht­lich Funk­ti­ons­weise und Hand­ling erfüllen muss. Schnell war klar: Die Bedie­nung muss möglichst einfach und intuitiv sein und wenig Zeit bean­spru­chen. Durch die früh­zei­tige Einbin­dung von erfah­renen Hand­the­ra­peu­tInnen wurde das Gerät durch ihn und sein enga­giertes Team entspre­chend dem Thera­pie­be­darf stets weiterentwickelt.

Was war dein Eindruck bei der Teststellung? 

Die AnyHand erfüllte im Praxis­test nahezu alle Anfor­de­rungen: Eine Hand­scha­blone hilft die Größe der Hand abzu­lesen und das Gerät richtig einzu­stellen. Anato­misch günstig ist die seit­liche Führung jedes einzelnen Fingers, der Dreh­punkt ist gelenknah und dadurch die Belas­tung auf das jewei­lige Gelenk sehr gering. Bei Rota­ti­ons­fehl­stel­lung eines Fingers oder nach Ampu­ta­tion, können einzelne Finger bei der Einstel­lung ausge­spart werden. Die AnyHand wurde von Pati­en­tInnen mit verschie­denen Diagnosen und aus unter­schied­li­chen Alters­gruppen getestet. Die einhel­lige Rück­mel­dung war, dass das Gerät einfach im Hand­ling sei und sie sich eine ergän­zende Heim­an­wen­dung gut vorstellen könnten. Im Gespräch mit einer Pati­entin haben Pascal und ich darüber hinaus fest­ge­stellt, dass in Zukunft die Bewe­gungs­ebene des Daumens in die Außen­ro­ta­tion eine sinn­volle Erwei­te­rung sein könnte.

Welche Einsatz­mög­lich­keiten siehst du für die AnyHand?

Ich kann mir die AnyHand sehr gut als Ergän­zung und Erwei­te­rung der Therapie vorstellen. Wichtig ist die genaue Bedarfs­ana­lyse durch den Hand­the­ra­peuten, u.a. Berück­sich­ti­gung von tempo­rären Arthro­desen oder Heilungs­phasen der betrof­fenen Struk­turen z.B. nach Osteo­syn­thesen oder Sehnen­naht. Ich sehe nicht nur die Präven­tion von Finger­ge­lenk­steife als Einsatz­be­reich der AnyHand, sondern auch die Mobi­li­sa­tion der Gelenke als Vorbe­rei­tung einer geplanten Opera­tion beispiels­weise vor einer Tenolyse.

In meiner Praxis erlebe ich oft, dass manche Pati­en­tInnen zu Beginn der Therapie verun­si­chert sind, wie weit sie ihre betrof­fenen Finger beüben dürfen. Daher ist es äußerst wichtig, dass die Thera­peu­tInnen die AnyHand exakt einstellen und dies gemeinsam mit den Pati­en­tInnen auspro­bieren. So gelingt es den Behan­delten anschlie­ßend auch leichter, ihre Hand zu entspannen, denn sie wissen, dass die Bewe­gung des Gerätes genau dort endet, wo der Bewe­gungs­ra­dius zuvor einge­stellt wurde.

Könnte die AnyHand auch zum Aufwärmen vor und nach der manu­ellen Therapie einge­setzt werden?

Vor der Therapie führe ich zuerst immer einen Sicht­be­fund durch: Gerade morgens nach dem Aufstehen ist die Hand noch steif und weniger beweg­lich als sie es viel­leicht am Vortag war. Daher würde ich die AnyHand beson­ders dann einsetzen, wenn bereits mit der manu­ellen Therapie eine höhere Beweg­lich­keit erzielt wurde und dieses neue Bewe­gungs­ausmaß anschlie­ßend weiter trai­niert werden soll.

Würdest du zur Aufrecht­erhal­tung des Bewe­gungs­ra­dius den selb­stän­digen Gebrauch des Gerätes zu Hause empfehlen?

Ja, aller­dings nur in Kombi­na­tion mit der Therapie in der Praxis oder zur Siche­rung des Ergeb­nisses nach Abschluss der Therapie. Mindes­tens ein oder zweimal pro Woche muss die Therapie in der Praxis vorge­nommen werden. Die Hand­the­ra­peu­tInnen können in der indi­vi­du­ellen Behand­lung stets vari­ieren und den Bewe­gungs­ra­dius dem jewei­ligen Zustand anpassen, entspre­chend kann die Einstel­lung der AnyHand dann adap­tiert werden. Fest steht: Wer zu Hause trai­niert, sichert auch zwischen den Thera­pie­sit­zungen den Erfolg der Behand­lung und verhin­dert so Rückfälle.

Welche Rolle spielt für dich die Doku­men­ta­tion der Therapiefortschritte?

Wir verwenden stan­dar­di­sierte Mess­ge­räte, zum Beispiel das Dyna­mo­meter für die Hand­kraft oder das Gonio­meter für die Winkel­mes­sung der Gelenke. So doku­men­tieren wir nicht nur Behand­lungs­fort­schritte, wir legen auch mess­bare Thera­pie­ziele fest. Das ist für die Pati­en­tInnen sehr moti­vie­rend: Sie sehen den Erfolg und können besser abschätzen, wo sie sich auf dem Weg zur Heilung befinden und welcher Weg noch vor ihnen liegt. Die Doku­men­ta­tion der Mess­daten aus der AnyHand wäre hierbei eine opti­male Ergänzung.

Zur Person

Beate Jung schloss 1992 ihre Ausbil­dung zur zerti­fi­zierten Ergo­the­ra­peutin an der staat­li­chen Berufs­fach­schule in München ab. Sie ist Grün­dungs­mit­glied der Deut­schen Arbeits­ge­mein­schaft für Hand­the­rapie (DAHTH), deren Vorsitz sie zwei Jahre inne­hatte. Im Jahre 1999 trat sie ein „Hand­the­rapy Fellow­ship“ in Houston, Texas, an und absol­vierte in der Folge Prak­tika in Sacra­mento und San Fran­cisco. Die dort gewon­nenen Kontakte konnte sie während ihrer Tätig­keit als inter­na­tio­nale Dele­gierte der DAHTH ausbauen und dadurch u.a. namhafte Refe­renten für den inter­na­tio­nalen Kongress der IFSHT/DAHTH 2019 in Berlin gewinnen. Beate Jung ist Fach­buch­au­torin und Refe­rentin auf natio­nalen und inter­na­tio­nalen Kongressen. Vor zehn Jahren grün­dete sie ihre eigene Praxis in München, die auf Hand­the­rapie spezia­li­siert ist. Als Dozentin für die DAHTH ist es ihr ein Anliegen, die Aus- und Weiter­bil­dung in der Hand­the­rapie zu fördern.